Vier typische Fehler bei der Auswahl eines Lehrbuchs
Eigentlich kann man wohl widerspruchslos behaupten, dass jedes benutzte Lehrbuch besser ist als keines, wenn man eine Sprache lernen möchte. Denn normalerweise (!) stehen da gute, wichtige und richtige Wörter, Sätze und Regeln drin, die man zum Lernen benötigt. Da ich mich tagein, tagaus mit kaum etwas anderem als Norwegischunterricht beschäftige, kenne ich eine ganze Menge Norwegischbücher und bin immer neugierig auf mehr. Denn was ich ganz bestimmt weiß: Es gibt es passende und eher nicht so passende Ausstattungen, was die persönliche Bestückung mit Büchern und anderen Materialien angeht, und auf die eher unpassenden möchte ich euch einfach mal aufmerksam machen.
Diese kleinen Tipps gelten selbstverständlich nicht nur für Norwegisch, sondern für alle unsere wunderschönen nordischen Sprachen sowie selbstverständlich alle anderen Fremdsprachen!
Typischer „Fehler“ Nr. 1: zu viele Lehrbücher
Topp Tipp: Weniger ist mehr. Ich bekomme oft mit, dass besonders ambitionierte Anfänger sich enthusiastisch quer durch ihre Buchhandlung/Amazon kaufen und sich mit allem, was im Entferntesten an Norwegen erinnert, eindecken: fünf Wörterbücher, vier Lehrbücher, drei Grammatikbücher, zwei Verblisten, ein Sprachspiel und so viele DVDs und Elchtassen wie noch Platz im Einkaufskorb war. Das KANN gutgehen.
Muss es aber nicht. Jedes Lehrbuch hat eine andere Strategie, eine spezielle Reihenfolge von Grammatikthemen und einen eigenen, in sich sortierten Wortschatz, und all das unterscheidet es von jedem anderen Lehrbuch. Und von allen Grammatiken und allen Verblisten (es sei denn, es ist ein zusammengehöriges Set). Sobald du also mehr als eines benutzt, wirft dich das ordentlich durcheinander und bringt gar nichts. Wie oft schon habe ich den Satz gehört oder gelesen: „Ich habe [das Thema xy] nochmal in dem anderen Buch/den anderen Büchern nachgeschaut und da ist das ganz anders erklärt. Was ist denn nun richtig?“ Ja ach was. Stress dich damit doch nicht!
Arbeite mit EINEM Lehrbuch. Du lernst nicht „besser“ oder schneller mit mehreren. Wenn du nach ein paar Lektionen merkst, dass du doch nicht alles richtig verstehst, überlege dir, EIN anderes zu kaufen und benutze dann NUR dieses andere. Dazu gleich mehr.
Typischer „Fehler“ Nr. 2: Sprachführer anstatt Lehrbücher
Sprachführer - die im Übrigen immer als solche gekennzeichnet sind – tun genau das: Sie führen dich mit großen Schritten lose an die Fremdsprache heran, wenn du z. B. im Urlaub deine ersten Sätze probieren möchtest und zwei, drei Lebensmittel mit einheimischem Namen kennen möchtest. Damit KANN man sich ein wenig der Sprache nähern.
Muss aber nicht gelingen. Diese schmalen Bücher sind nicht dazu gemacht, dir die Sprache ernsthaft beizubringen. Sie verfolgen kein didaktisches Konzept, sondern sind nach Themenfeldern sortiert: Gemüse, Fortbewegungsmittel, erste Hilfe usw. Das ist zum Lernen von ein paar überlebenswichtigen Vokabeln super, aber nicht, um sich langfristig die Sprache anzueignen.
Meist ist eine Grammatik, wenn überhaupt vorhanden, nur in groben Zügen enthalten mit den wichtigsten Regeln ohne Erklärungen und ohne die Feinheiten wie z. B. Ausnahmen. Wieder nicht didaktisch aufbereitet, also sehr, sehr schwer zu lernen – dafür aber ganz passabel zum Verloren-im-Urlaubsland-spontan-was-Nachschlagen. Nicht mehr, nicht weniger.
Sei dir bewusst, dass der Besitz eines Sprachführers nicht schadet, euch aber zum richtigen Lernen und vor allem Verstehen nicht sehr hilfreich sein wird. Kauf dir ein echtes Lehrbuch – ebenfalls als solches markiert.
Typischer „Fehler“ Nr. 3: zu alte Lehrbücher
Bei Ebay Kleinanzeigen günstig einen Sprachkurs von 1985 mit 4 Begleitkassetten geschossen? Glückwunsch! Die meisten Verkäufer ihrer alten Lernunterlagen wollen nämlich immer noch unfassbare Preise. „Buch quasi unbenutzt 30 Euro. Hat neu damals 80 DM gekostet“ ist ein nicht unwahrscheinliches Angebot. Viel Geld zu verlangen für Lehrbücher, die älter als 10 Jahre sind, finde ich frech und vor allem unsinnig. Viele mögen denken, dass die Sprache sich ja nun nicht sooo sehr verändert haben kann und wenn man damals damit lernen konnte, dann ja wohl gefälligst auch heute. KANN man schon.
Muss man aber nicht. Gilt auch für Lehrer, die seit Urzeiten ihre Schätzchen haben, von denen sie nicht lassen wollen, weil sie selbst einst damit lernten (!). Hallo Leute, wir haben 2019. Was spricht dagegen, aktuelles Material zu verwenden? Natürlich ändert sich die Grammatik nicht grundlegend, aber auf jeden Fall das Vokabular – und noch viel mehr die Anwendungsgebiete. In alten Lehrbüchern lernt man, wie man einen Brief schreibt, in neueren, wie man eine E-Mail schreibt und in ganz neuen, wie man das auf 140 (?) Zeichen twittert. DAS ist nah am aktuellen Leben, DAS will ich doch wissen!
Ganz zu schweigen von der Didaktik. Dass Sprachenlernen Spaß macht, hat sich erst in den letzten Jahren mehr und mehr entwickelt. Früher waren Grammatikaufgaben eher lahm, heute gibt es hunderte neuer Ideen! Und immer mehr und bessere; gute Bücher werden regelmäßig in Hinblick auf neue Forschungen aktualisiert und das ist großartig.
Insbesondere die Inhalte der Landeskunde verändern sich ständig! Und mich interessiert es ausgesprochen wenig, was irgendwann mal „hip“ war. Ich möchte als Lerner das heutige Norwegen kennen lernen und als Lehrer sollte ich das auch vermitteln. Es gibt immer tollere, umfangreichere Lehrwerke, immer mehr Fotos (was hilft uns eine Strichzeichnung vom Polarlicht?), Filme, interaktive Lernplattformen und und und. NUTZT DAS um Himmels Willen.
Typischer „Fehler“ Nr. 4: falsche Lehrbücher
Mich würde es nicht wundern, wenn auf meinem Grabstein stehen wird „Jeder Lerntyp ist anders“ – ich predige es immer wieder. Und es passt nun mal nicht zu allen das gleiche Buch. DIE Buchempfehlung gibt es schlichtweg nicht. Wenn 5.000 Amazon-Rezensionen sagen, man könne supertoll mit Buch X Norwegisch lernen, KANN unter Umständen genau das Lehr-Konzept X für dich passen.
Muss es aber nicht, es kann auch die Hölle sein, weil es nicht zu deiner Art, Informationen aufzunehmen und zu verwerten, passt, und du gar nichts kapierst. Und JA, die Bücher unterscheiden sich wirklich so stark. Im besten Fall erkennt dein Lehrer, was für ein Typ du bist – krasser Grammatik-Nerd, visueller Lerner, kommunikativer Lerner oder oder oder, und empfiehlt dir das genau darauf ausgelegte Buch.
Auch das Tempo kann völlig unterschiedlich sein: Jemand, der bereits sechs Sprachen gelernt hat, geht die siebte sportlicher an als jemand, der vor 40 Jahren zuletzt auf einer Schulbank saß. Auch in der Progression sind Lehrbücher – genau deshalb – zum Glück sehr verschieden. Und auch hier kennt dein Lehrer das passende für genau dich, die 5.000 Amazon-Bewertungen aber nicht, woher denn auch?
Wenn du im Selbststudium lernst, bist du auf dich allein gestellt, um herauszufinden, welches Buch sich gut eignet. Einen schönen Überblick habe ich schon erstellt, es kommen aber immer noch weitere Vorstellungen bzw. Rezensionen dazu. Schlimmstenfalls wechselst du dein Buch „unterwegs“ – Hauptsache ist, du findest irgendwann zu dem (einen! neuen!) richtigen, denn ein falsches kann total frustrieren und dir die Lust an der Sprache nehmen.
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Fazit: Lass dich beraten!
Versuche zuerst, herauszufinden, wie du besonders gut lernen kannst: viel Grammatik? Viele Beispielsätze ohne Grammatik? Viele Bilder? Viele Dialoge? Vordergründig Hörbeispiele? ...? Versuche auch, herauszufinden, ob dein Buchfavorit darauf ausgelegt ist oder du deine Überlegung ggf. ändern solltest (in deiner Buchhandlung sowieso und oft auch auf Amazon ist ein „Blick ins Buch“ verfügbar). Frage auf jeden Fall auch jemanden, der sich gut auskennt auf dem Lehrbuchmarkt, z. B. einen Lehrer „deiner“ Fremdsprache. Mit dem kannst du auch ausklamüsern, ob es die neueste Ausgabe des Buches sein muss oder ob die vorherige, vielleicht doch günstigere es auch tut (meistens nicht, aber das ist euer Ding). Und dann kaufe dir genau dieses eine Buch.
Viel Erfolg beim Lernen!
Erzählst du mir im Kommentar, welches dein Lieblings-Lehrbuch für Norwegisch ist oder war? Warum? Und welches magst/mochtest du gar nicht? Geschmäcker sind verschieden, ich bin gespannt!
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